iiiiiiiiiiiiihoooooooooooooooooooaaaaaru… Yaaah!!!!! [Wusch!]
mit einem Mark und Bein durchdringenden Kampfschrei stürmt ein bis an die Zähne bewaffneter und in einer über 25 kg schweren Rüstung steckender, täuschend echt wirkender Samurai samt bedrohlich wirkendem Schmuckhelm und blitzeblankem Langschwert in den Abendstunden des 21. Januar 2020 unerwartet in den Festsaal des einewelt Hauses Magdeburg in der Schellingstraße. Die Gäste eines geselligen Vortragsabends zucken zusammen, schauen irritiert. Was ist denn jetzt los?
Tim Schneider als Vertreter des Veranstalters DJG lächelt verschmitzt und lässt den Kämpfer gewähren. Dieser ist (Überraschungs-) Bestandteil des Programms und darf seine knackigen Kampfeskünste ausführlich präsentieren.
Die Gäste sind verblüfft und neugierig sogleich. Hatten die 56 Teilnehmer der öffentlichen Veranstaltung der DJG doch bis soeben aufmerksam und wohlwollend den aufschlussreichen Ausführungen des Hannoveraner Mediziners Dr.med. Kenji Kamino gelauscht. Und waren seinen farbenfrohen Bildern sowie mitreißenden und authentisch-humorvollen Beschreibungen ohne Widerspruch gefolgt.
Was denn nun? Alles halb so wild!
War doch der „Überfall“ des behelmt Maskierten top secret vorbereitet und eingeflochten als Pointe des anderthalbstündigen Abendprogramms.
In den kurzweiligen Minuten vor der Unterbrechung des in vertraut vergnüglich-humorvoller Weise gehaltenen, reich bebilderten Vortrags des seit vielen Jahren in Deutschland beheimateten Kenji Kamino wurden von ihm wieder einmal alle Register gezogen, um die Gäste mit Unbekanntem, Skurilem und Unglaublichem aus dem Land der Morgenröte zu erfreuen.
Der hereinstürmende Samurai mit hochaufragendem Helm und einer schweren Ganzkörper-Rüstung aus unzähligen dunklen harten Plättchen, zusammengehalten mit Dutzenden von Riemchen, wurde „gespielt“ vom langjährigen Kendo-Spezialisten Hans-Peter Nelamischkies aus Magdeburg. Seine Performance war wahrlich beeindruckend. Im geselligen Ausklang der Veranstaltung wurde er noch lange Zeit von den Gästen umringt – für ein gemeinsames Foto und zur Beantwortung vieler Fragen…
Doch zurück zum Anlass des Beisammenseins. Der Referent des Vortrags Kenji Kamino führte vor dem „Überfall“ in weitem Bogen ausgehend von einem Einblick in die historische Entwicklung des Samurai-Wesens über das stetig veredelte Werte- und Moralsystems der Samurai bis hin zu den Nachwirkungen bis weit in die Neuzeit ein. Dabei ging er auf die besonderen Werte des Bushidō (Weg des Kriegers) wie Loyalität, Selbstbeherrschung, Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Ehre, Höflichkeit, Mut und Güte näher ein.
Auf besonderes Interesse stieß die stete Verdichtung des Werte-Kanons von den sieben Vorschriften für jüngere Kinder der Samurai wie z.B.
- Widersprich den Älteren nicht.
- Lüge nicht.
- Belästige schwächere Menschen nicht.
und weitere…
hin zu den 17 Regeln für ältere Kinder der Samurai.
Darin findet sich auch das für unsere Ohren kurios klingende
- Sprich nicht mit dem weiblichen Geschlecht außerhalb des Hauses.
Allgemeines Schmunzeln im Saal… Was soll denn das?
Auch die dem höheren Stand der Samurai vorbehaltene Verachtung von Geld wie auch allgemein der Mathematik und des Rechnungswesens erschien so manchem von Magdeburger Ingenieurskultur geprägtem Gast dann doch ein bissel sehr skurril.
Positiv überrascht waren die Zuhörer über die Aussagen von Kenji Kamino über die Rolle der Frauen der Samurai-Kaste. Die Ehefrauen wie auch die Töchter waren ebenfalls wie die Kriegsdiener hoch gebildet sowie ausgebildet in verschiedenen Künsten und sogar in der Kampfkunst von effizienten, schmerzintensiven Selbstverteidigungstechniken.
Aufkommendes Raunen im Saal! War das wirklich so? Honto desuka?
Die Rolle der Frauen bestand jedoch vor allem darin, dem Leben (des Samurai) Farbe und Anmut zu geben, so Kenji Kamino. Der Mann galt zu jener Zeit nur als halber Mensch, wie auch die Frau nur als halber Mensch galt. Erst durch die Ehe war Vollkommenheit (durch Arbeitsteilung) möglich. Und die Ehefrau war die unumstrittene Cheffin im Hause!
Ach so ist das! Ah, so desuka!
Die Gäste konnten im Laufe des Abends noch so einiges Unerwartetes, Unerhörtes, Unglaubliches vernehmen. Da sollte noch einmal drüber gesprochen werden!
Beindruckt von der facettenreichen Entwicklungsgeschichte mit hoch entwickeltem Ehrenkodex bis zum bescheidenen, disziplinierten Lebenswandel der einst ruhmreichen Kriegskünstler – da kann man so einiges mit nach Hause nehmen und noch einmal drüber reflektieren. Unsere Vorfreude auf einen neuen Vortrag von Kenji Kamino wurde mehrfach zum Ausdruck gebracht. Und er wird wieder nach Magdeburg kommen!
Für eine zünftige Erfrischung zu Beginn und nach Ende des Vortrages sorgte Vizepräsident Peter Schmidt hinter dem Tresen. Gäste des Abends waren die beiden Ehrenpräsidenten Rechtsanwalt Michael Gosewisch und Prof. em. Dr.-Ing. habil. Lutz Wisweh, viele Mitglieder, Trommlerinnen der Taiko-Gruppe Akaishi Daiko unserer DJG-Kulturabteilung, mehrere in Magdeburg ansässige & über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Vertreter japanischer Kampfsportarten, Freude des Kendo-Sports wie auch viele weitere an Japan Interessierte aus Magdeburg und Region.
Ein gelungener Abend im Januar des Olympia-Jahrs Tokio 2020.