Atombombenabwürfe auf Japan – Warum? Zum 70. Gedenkjahr

Am Donnerstag, 05.02.2015, waren auf Einladung der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Sachsen-Anhalt e.V. gut 40 Magdeburgerinnen und Magdeburger in den IBA-shop des Stadtplanungsamtes gekommen, um dem Vortrag „Atombombenabwürfe auf Japan – Warum? Zum 70. Gedenkjahr“ zu folgen und an der Vernissage der Aus­stellung „Hiroshima – Nagasaki“ der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW) teil­zunehmen.

Auf Einladung der DJG war der Bürgermeister und Beigeordnete für Finanzen, Herr Klaus Zimmermann, als Vertreter der Landeshauptstadt Magdeburg gekommen.

Frau Dipl.-Ing. Liane Radike begrüßte als Hausherrin des IBA-shops sowie als Ver­treterin des Stadtplanungsamtes alle Gäste und brachte einen kurzen Überblick über die spezielle Magdeburger Rezeption der Geschehnisse zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Japan ein.

Der Präsident der DJG, Herr Prof. Dr.-Ing. Lutz Wisweh begrüßte die Gäste und stellte Herrn Dr. med. Kamino als hier in Magdeburg bereits seit vielen Jahren bekannten und hoch geschätzten Referenten zu japanspezifischen Themen vor.

Herr Kamino brachte seine Freude zum Ausdruck, zum wiederholten Mal hier in Magdeburg vortragen zu dürfen.

Sein Vortrag führte in unerwartete, vielen Gästen so nicht bekannte historische Hintergründe und Sichtweisen ein.

Der Referent stellte eine ausgewogene, die verschiedenen Seiten beleuchtende Sicht auf historisch nachgewiesene, jedoch nicht unumstrittene Sachverhalte dar.

Quellen seines Vortrages waren u.a. verschiedene Publikationen mit Auswertung von Informationen aus in den vergangenen Jahren für die Öffentlichkeit zugänglich gemachten US-Militär- und Staatsarchiven.

Für viele Gäste schockierende, da so bisher nicht bekannte Erkenntnisse über die offen­sichtlich aus geopolitisch-strategischen Gründen getroffenen Entscheidungen, die zu den beiden Atombombenabwürfen führten. Der Referent argumentierte nachvoll­ziehbar und anhand konkreter Fundstellen, dass starke Zweifel bestehen, dass allein aus dem Kriegsverlauf resultierende Erfordernisse zur schwerwiegenden Entscheidung des Atom­bomben-Abwurfes geführt hatten. Es müssen wohl andere Gründe im Vordergrund gestanden haben. Auf diese ging der Referent vertiefend ein.

Herr Kamino wies anhand aktueller Schulbücher eine mangelhafte, da nicht gegebene ganzheitliche Sicht auf historische Zusammenhänge im japanischen wie auch im US-amerikanischen Schulbildungssystem nach. Er resümiert für beide Nationen eine weit verbreitete Unwissenheit über die wahren Zusammenhänge und Hintergründe.

Nach dem Vortrag stellte sich der Referent den Fragen und Beiträgen aus dem Audi­torium. Dabei ging es unter anderem darum, wie heute mit 70 Jahren Abstand zu den Geschehnissen diese überhaupt noch angemessen gewürdigt werden können.

Mehrere Fragen aus dem Auditorium fokussierten auf die heutige Rezeption der historischen Geschehnisse in Japan. Auf Nachfrage konstatierte Herr Kamino, dass in der japanischen Gesellschaft kein Zusammenhang zwischen militärischer und friedlicher Nutzung der Kernenergie gesehen wird. Die aktuellen Geschehnisse in Fukushima würden in Japan nicht mit den Erfahrungen aus Hiroshima und Nagasaki verbunden.

Der im japanischen Volk ungemindert fortbestehende unverbrüchliche Wille zu Fried­fertigkeit und Völkerverständigung und die bedingungslose Absage jeglicher Her­stellung, Anschaffung und Vorhaltung von Kernwaffen stehen nicht im Widerspruch zu den zunehmenden Spannungen in Ostasien und den aktuellen innerjapanischen Debatten zur künftigen Ausrichtung der Selbstverteidigungsstreitkräfte und der außen­politischen Positionierung.

Die Ausstellung der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW) greift nahtlos den inhalt­lichen Faden des Abends auf und stellt ihn auf ein breiteres Fundament.

Zwei aus Japan stammende Wissenschaftler der Otto-von-Guericke-Universität hatten den Weg zum IBA-shop gefunden, ebenso waren Ärzte des Universitäts-Klinikums unter den Gästen. Frau Dr. Poenicke, neue Leiterin der Stadtbibliothek, sowie der DJG-Ehren­präsident Michael Gosewisch mit seinem Sohn Roman sowie Herr Dr. med. Rolf Wilms, der Referent des für April 2015 vorgesehenen Vortrags über – u.a. strahlungsbedingte – Hautkrankheiten, waren in den IBA-shop gekommen.

Die Ausstellung wird bis zum 28.02.2015 im IBA-shop, Regierungsstraße 37, zu sehen sein. Anhand ausgewählter Fotos, graphisch aufbereiteter Informationen und Statistiken wird die komplexe Materie der Herstellung, der Auswirkungen der Detonation, der Folge­wirkungen sowie des lang anhaltenden Leids der Menschen vor Ort dokumentiert. Die Informationen gehen im wahrsten Sinne der Worte unter die Haut…

Tim Schneider

Nurzu, auf nach Niigata!

Vertiefung der Kontakte nach Ost-Japan mit einem Besuch bei der JDG Niigata

Eine dreiwöchige, privat organisierte Rundreise durch die Mitte und den Nordosten von Japan führte Tim Schneider, einer der Vizepräsidenten der DJG Sachsen-Anhalt e.V., auch in die Großstadt Niigata an der Westküste zum Japanischen Meer. Die aufgrund zahlreicher Eingemeindungen nunmehr über 800.000 Einwohner umfassende Stadt ist Sitz der Ver­waltung der gleichnamigen Präfektur und verfügt u.a. über sieben Universitäten und Hoch­schulen sowie einen nicht unbedeutenden Überseehafen. Die Region ist ein Erdöl- und Erdgas-Fördergebiet, daher gibt es auch Erdölraffinerien. Daneben spielen die Papier- und Nahrungsmittelindustrie sowie der Maschinen- und Schiffbau eine bedeutende wirtschaftliche Rolle. Im Jahr 1990, d.h. vor den Eingemeindungen, hatte Niigata ca. 486.000 Einwohner und mit 209 km² eine Stadtfläche nahezu identisch mit Magdeburg.

Tim Schneider wurde ausgesprochen freundlich und interessiert von Mitgliedern der Japanisch-Deutschen Gesellschaft von Niigata empfangen. Die Kontakte zwischen den beiden Gesellschaften bestehen bereits seit gut 20 Jahren und werden durch vielfältige Aktivitäten insbesondere unseres Präsidenten der DJG Sachsen-Anhalt, Prof. Dr.-Ing. Lutz Wisweh, kontinuierlich gepflegt. Die fruchtbare Kooperation zwischen der Otto-von-Guericke-Universität und der Niigata-Universität besteht bereits seit 1986.

Die gut 100 Mitglieder umfassende Japanisch-Deutsche Gesellschaft (JDG) in Niigata unterhält ein reges Vereinsleben. Für das Jahr 2015 ist eine Vereinsreise nach Deutschland angedacht, die nach derzeitigen Vorstellungen auch nach Magdeburg führen könnte.

Der Generaldirektor der JDG Niigata, Herr Michihei Kurihara, setzt sich u.a. als Geschäftsführer der „Shinano Watershuttle Corporation“, der „Weißen Flotte“ von Niigata, für die Stärkung des Stadttourismus ein. Er möchte sich künftig vertiefend über Magdeburgs touristische Angebote u.a. auf der Elbe mit dem Wasserstraßenkreuz und auch mit Blick über die Stadtgrenzen hinaus informieren.

Weitere Mitglieder der JDG Niigata, darunter mehrere Professoren der Universität Niigata, sind sehr an einer Vertiefung der Kontakte nach Magdeburg interessiert.

Der herzliche Empfang für Tim Schneider beinhaltete eine ganztägige Stadtführung durch die Innenstadt von Niigata, die von mehreren Mitgliedern der JDG Niigata begleitet wurde. Hierbei wurden u.a. ein durch Bürger-Engagement vor dem Abriss gerettetes und denkmalgerecht erneuertes historisches Gebäudeensemble des Sommersitzes der angesehenen Großhandels-Familie Saito mit einem ausgesprochen schönen japanischen Garten besichtigt. Ebenfalls wurde ein im Stadtzentrum gelegenes historisches Kaufmannshaus besucht.

Als unvergesslichen Höhepunkt des Tages lies es sich der nunmehr im (Un-)Ruhestand agierende frühere Oberbürgermeister der Stadt Niigata, Herr Yoshiaki Hasegawa, nicht nehmen, höchstpersönlich auf seine charmante Weise durch den in den zurückliegenden 15 Jahren schrittweise errichteten Kulturbezirk „Ryutopia“  mit dem „Niigata City Performing Arts Center“ und der „Niigata City Culture and Music Hall“ als neuer geistiger Stadtmitte von Niigata zu führen. Dabei wurden verschiedene Spielstätten eines Aufsehen erregenden Neubaus eines klassischen Theaters mit an­geschlossenem Noh-Theater sowie mit einem außergewöhnlich gestalteten, 1.900 Sitzplätze umfassenden Konzertsaal besichtigt. Als besondere Geste wurden ebenso die Backstage-Bereiche sowie die spektakuläre, begrünte Dachlandschaft zugänglich gemacht.

Der gesamte Gebäude­komplex, der auch den geschichtsträchtigen Hakusan-Schrein mit seinem Garten, ein gerettetes historisches Gebäude mit nunmehrigen Möglichkeiten für TeeZeremonie etc., ein Sportstadium und eine große Leichtathletikhalle sowie städtebaulich hervorragend integrierte, eiförmige, begrünte Parkhäuser sowie eine mit zahllosen Kirschbäumen bepflanzte, überdeckelte Hauptverkehrsstraße umfasst, bildet auf beeindruckende Weise eine grüne, würdevolle und attraktive neue Mitte der Stadt Niigata. Der Neubau des Rathauses sowie weitere Gebäude der Stadtverwaltung grenzen unmittelbar an die parkartige Stadtlandschaft an.

Weitere bemerkenswerte Bauvorhaben zur Aufwertung der beiden Flussufer des Shinano-Flusses wurden in den zurückliegenden Jahren mit hohem Anspruch realisiert.

So hat beispielsweise die größte Tageszeitung von Stadt und Region, „Niigata Nippo“, ihren Sitz aus der Peripherie von Niigata im Jahr 2014 mit einem prägnanten, die Stadtsilhouette beherrschenden, schwungvollen Hochhaus, dem „Media Ship“, wieder zurück in die Stadtmitte verlagert. Weitere Bauvorhaben wurden entlang der Uferpromenaden realisiert und sind darüber hinaus in Planung.

Die Innenstadt befindet sich in einem umfangreichen Transformationsprozess. Zahlreiche Neubauvorhaben, insbesondere von Büro- und Appartmenttürmen, verändern das Stadtbild. Die im Vergleich zu anderen Städten Japans breiten Hauptstraßen werden von Baumalleen begleitet, welche die Stadt angenehm auflockern und durchgrünen.

Die Hafenstadt Niigata als bedeutende Verkehrs- und Logistikdrehscheibe mit schnellem Shinkansen-Anschluss in das nur rd. 250 km entfernte Tokyo und leistungsfähigen Eisenbahn- und Autobahnverbindungen in alle Landesteile sowie einem eigenen Flughafen strebt eine Vertiefung der Kontakte zu ausländischen Städten insbesondere mit Logistikfunktionen an.

So unterhält die Stadt Niigata bereits seit Anfang der 1980er Jahre intensive städtepartnerschaftliche Beziehungen zur nordchinesischen Millionenstadt Harbin, ebenfalls Partnerstadt von Magdeburg. Gleich zu drei Städten in Russland sowie zu weiteren Städten in verschiedenen Ländern werden lebendige städtepartnerschaftliche Kontakte gepflegt. Die Menschen in Niigata werden als aufgeschlossen und warmherzig eingeschätzt.

Niigata gehörte zu den fünf Hafenstädten, mit deren Öffnung für den internationalen Handelsverkehr im Jahr 1858 sich Japan nach mehr als 250 Jahren selbst gewählter Isolation für das Ausland öffnete und damit seine umfassende Modernisierung einleitete.

Die Wertschätzung durch unsere Freunde in Niigata sollte uns Ansporn und Motivation zugleich sein, unsere Aktivitäten zur Vertiefung der freundschaftlichen Kontakte nach Niigata fortzusetzen.

Gäste aus Tokio zu Besuch in Magdeburg

Forscher und Berater im Auftrag der japanischen Industrie und der Regierung erkundigen sich über Erfahrungen aus dem Stadtumbau in Magdeburg –
gemeinsames Abendessen mit Mitgliedern und Aspiranten der DJG Sachsen-Anhalt e.V.

Am 08. Mai 2014 waren die Teilnehmer der Fachdelegation Prof. Takuya Tsuji von der Hitotsubashi-Universität Tokio, Fumihiko Kamio vom Nomura Research Institute Tokio, Harry K. Hanahara vom 21st Cetury Public Policy Insitute des Keidanren (der wichtigste japanische Wirtschaftsverband, entspricht dem BDI in Deutschland) aus Tokio mit ihrem Reiseleiter und Dolmetscher Takashi Nakagawa aus Berlin hier in Magdeburg zu Besuch.

Die Experten in verschiedenen Themenfeldern des Stadtumbaus führten eine mehrtägige Forschungsreise mit Fokus u.a. auf die effiziente Reorganisation von technischen Infrastrukturen durch. Während eines ausführlichen Interviews im Stadtplanungsamt der Landeshauptstadt (LH) Magdeburg sowie bei geführten Rundgängen in Neu-Olvenstedt und in Buckau konnten sie sich einen ersten Einblick in aktuelle Aspekte des Stadtumbaus in Magdeburg verschaffen.

Am Abend trafen die Gäste zu einem gemeinsamen Abendessen mit Vertretern der Deutsch-Japanischen Gesellschaft (DJG) Sachsen-Anhalt e.V. im Restaurant Fürstenwall ein.

Hier wurden sie freundlich vom Ehrenpräsidenten der DJG Sachsen-Anhalt e.V., Rechts-anwalt Michael Gosewisch begrüßt. Der DJG-Vizepräsident und städtische Stadtplaner Dipl.-Ing. Tim Schneider wie auch die begeisterten Japan-Kenner Magister Monique Strübig vom Umweltamt der LH Magdeburg, Dipl.-Ing. Martin Kraft vom Lehrstuhl Logistik an der OVGU sowie Dipl.-Ing. Stefan Köder, Stadtteilmanager von Neu-Olvenstedt, nahmen ebenfalls am gemeinsamen Abend teil.

Die deutsch orientierten Speisen mundeten vorzüglich bei der einen oder anderen gemeinsamen Schmunzelei über hier und da doch recht verschiedene Betrachtungen und Sichtweisen auf Facetten des Alltagslebens wie auch des akademischen Betriebs sowie der Planungspraxis in Stadtplanung und Stadtumbau in Japan und in Deutschland.

Dabei war es möglich, auch persönliche Einschätzungen und Eindrücke ungezwungen mit den Gästen auszutauschen. Das war ein wahrlich erfrischender Austausch mit neuen Anregungen und Denkansätzen.

So lässt sich für uns und den geneigten Leser festhalten, dass die Gäste äußerst interessiert nach unseren Magdeburger Sichtweisen auf das Leben in der Stadt nachgefragt haben. Sie brachten ihr besonderes Interesse für die Lebenszusammenhänge in einer aus ihrer Sicht (und nach japanischen Maßstäben) kleinen bis mittelgroßen Großstadt zum Ausdruck.

Der mitreisende Exkursionsleiter und liebenswert kernig auftretende Dolmetscher Takashi Nakagawa fragte im Laufe des Abends mehrfach nach, ob wir in Magdeburg für die Betreuung weiterer Fachdelegationen aus verschiedenen Fachrichtungen der Stadtplanung und -gestaltung wie auch Umweltplanung zur Verfügung stehen würden. Er deutete in seiner japanisch geprägten Kommunikationsweise diskret und zurückhaltend auf bald anstehende weitere Anfragen von Fachleuten aus Japan hin.

Selbstverständlich haben wir Teilnehmer am gemeinsamen Abend unsere Bereitschaft auf Unterstützung erwidert. War es doch auch für uns ein Vergnügen, unsere Kenntnisse und Sichtweisen auf Japan sowie unsere Japanisch-Kenntnisse wieder einmal gehörig auffrischen zu können.

Auf fachlicher Ebene soll hier noch kurz angefügt werden, dass die absehbaren Heraus-forderungen aus dem demografischen wie auch gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel mit erheblichen Schrumpfungen und insbesondere mit markanten Veränderungen der Alters- wie auch Bevölkerungsstruktur in Stadt und Land von Japan wie auch bei uns in Mitteleuropa und in Deutschland in den kommenden Jahren geprägt sein werden. Es gibt somit noch viel voneinander zu lernen. Dies kann uns nur zum gegenseitigen Nutzen gereichen.

Tim Schneider für den Vorstand der DJG